Newsletter 01/24 – Artikel 6

Zulässigkeit der Verwertungskündigung

Will man seine vermietete Eigentumswohnung verkaufen, so kommen als Käufer entweder Selbstbezieher oder Kapitalanleger in Betracht.

Selbst kann der Verkäufer das Mietverhältnis vor dem Verkauf nicht kündigen – er hat ja keinen Eigenbedarf.

Selbstbezieher werden sich nur dann für das Verkaufsobjekt interessieren, wenn die Wohnung von vorneherein leer steht und damit sofort durch den Käufer bezogen werden kann oder ein bestehendes Mietverhältnis nach Erwerb mit kurzer Kündigungsfrist aufgrund Eigenbedarfs gekündigt werden kann. Andernfalls dürfte ein Erwerb durch einen Selbstbezieher nicht in Frage kommen.

Der Kapitalanleger hingegen kann ein bestehendes Mietverhältnis gar nicht wirksam kündigen, weil er selbst keinen Eigenbedarf hat. Er will ja auch in der Regel weiter vermieten. Interessant für den Kapitalanleger ist daher allein die aufgrund der Miethöhe zu erzielende Kapitalrendite. Ist die Wohnung jedoch langjährig zu geringer Miete vermietet – sei es aufgrund der sozialen Einstellung des Vermieters oder der Nachlässigkeit des Vermieters in Bezug auf regelmäßige Mietpreisanpassungen – wird sich die Kapitalrendite als zu gering darstellen, als dass ein Kapitalanleger den Erwerb dieses Objekts als attraktiv empfinden würde. Erfahrungsgemäß erwartet ein Kapitalanleger eine Kapitalrendite von mindestens 4-4,5%, um einen Objekterwerb in Betracht zu ziehen.

Was macht man also als Verkäufer, wenn es sich um eine zu niedriger Miete vermietete Wohnung handelt, an der ein Kapitalanleger wegen zu geringer Rendite nicht interessiert ist und in die ein Selbstbezieher aufgrund langer Kündigungsfrist frühestens ca. 1 Jahr nach Abschluss des notariellen Kaufvertrages einziehen kann – vorausgesetzt, der Mieter zieht dann auch wirklich aus! Auch dieser Kreis der Selbstbezieher wird sich eher andere Objekte zur Erwerb ansehen. Ist der Mieter auch gegen Sonderzahlung nicht bereit, vor oder während des Verkaufsprozesses eine Mietaufhebungsvereinbarung zu schließen und auszuziehen, ist guter Rat erst einmal teuer.

Neben der Eigenbedarfskündigung gibt es im Gesetz einen weiteren Grund für die Kündigung des Mietverhältnisses! Es handelt sich um die Kündigung zum Zwecke der angemessenen wirtschaftlichen Verwertung des Objekts.

In einer aktuellen Entscheidung des Amtsgerichts Dachau hat das Gericht geurteilt, dass ein Mietverhältnis vom Verkäufer auch dann gekündigt werden kann, wenn er das Objekt in vermietetem Zustand nicht angemessen verwerten kann. Sollte der zu erwartende Verkaufserlös für das vermietete Objekt mehr als 15-20% niedriger als das unvermietete Objekt liegen, so würde dies den Ausspruch einer sog. Verwertungskündigung rechtfertigen. Der Vermieter hat die Unmöglichkeit der angemessenen wirtschaftlichen Verwertung im Prozess durch Sachverständigen-Gutachten zu belegen.

Es gibt weitere gerichtliche Entscheidungen über die Verwertungskündigung, wobei die Gerichte für die Zulässigkeit zum Teil sehr unterschiedliche Erlösnachteile für den Vermieter fordern – diese schwanken je nach Gericht zwischen 5%-40%. Die Rechtsprechung zu diesem Thema ist also nicht einheitlich; entsprechend ergebnisoffen dürfte ein Rechtstreit über die Zulässigkeit der Verwertungskündigung im Einzelfall sein.

Dabei seien nach AG Dachau jedoch stets die gegenseitigen Interessen von Mieter und Vermieter gegeneinander abzuwägen. Sollten die sich aus der Kündigung ergebenden Nachteile für den Mieter deutlich schwerer wiegen als ein Mindererlös beim Kaufpreis für den Vermieter, dann soll die Verwertungskündigung nicht zulässig sein. Das Thema ist auf jeden Fall interessant, aber auch beratungsintensiv.

– AG Dachau, Urteil vom 10.05.2024 (4 C 240/22) –

 

Von Rechtsanwalt Oliver Grohmann-Velchev, Geschäftsführer ProEigentum Immobilien GmbH