Newsletter 01/25 Artikel 5

Immobilie in der Zwangsversteigerung
Die andere Art des Immobilienerwerbs

Es muss nicht immer der klassische Kauf einer Immobilie beim Notar sein. Insbesondere immer mehr Kapitalanleger, aber auch Selbstnutzer, ersteigern Ihre Traumimmobilie oder ein Renditeschnäppchen im Rahmen einer Zwangsversteigerung.

Laut Jahresbericht des Argetra Fachverlages wurden im Jahr 2023 immerhin 13.445 Versteigerungsverfahren bei deutschen Amtsgerichten eröffnet. Eine sehr hohe Anzahl, wenngleich es natürlich nicht in jedem Verfahren zum Zuschlag kommt – häufig kann die Immobilie bis zum Versteigerungstermin dann doch noch freihändig verkauft werden.

Die nachfolgende Grafik (© Argeta GmbH, Fachverlag für Zwangsversteigerungen) zeigt die Verteilung der Zwangsversteigerungen im Jahr 2023 in Bezug auf die Art der Immobilien. Dabei überrascht der hohe Anteil an Ein- und Zweifamilienhäusern, was die Annahme nährt, dass die anhaltende Wirtschaftskrise insbesondere die Hausbesitzer, also die Mittelschicht, ganz klar erreicht hat und substanziellen Schaden anrichtet.

 

Aber nicht nur bei finanzieller Schieflage kann eine Immobilie unter den Hammer kommen; auch für den Fall, dass sich Eheleute, Erbengemeinschaften und eine sonstige Mehrheiten von Miteigentümern nicht über die künftige Verwendung der Immobilie einigen können, kann von jedem Miteigentümer die sogenannte Teilungsversteigerung beantragt werden. Die Immobilie wird dann zum Zwecke der Teilung des erzielten Erlöses versteigert.

In beiden Fällen gelten besondere „Spielregeln“. So sieht das Zwangsversteigerungsgesetz im ersten Termin eine Mindestgrenze von 7/10 des Verkehrswerts vor, unter dem der Zuschlag nicht erteilt werden darf, sofern ein Gläubiger (meist Bank) dies beantragt, weil er andernfalls einen finanziellen Verlust erleiden würde. Es muss dann ein weiterer Termin frühestens drei Monate später angesetzt werden. Mindestgrenzen für das Meistgebot oder die Möglichkeit, den Zuschlag versagen zu lassen, gibt es dann nicht mehr. Davor holt das Gericht bei einem Bewertungssachverständigen ein Wertgutachten ein, um die 7/10-Grenze für das Meistgebot berechnen zu können.

Jeder Bieter muss 10% des gutachterlich festgestellten Immobilienwerts als Sicherheit vor Beginn des Versteigerungstermins durch Überweisung des Betrages an die Gerichtskasse oder durch Vorlage eines bankbestätigten Verrechnungsschecks oder einer Bankbürgschaft leisten. In besonderen Fällen können am Verfahren Beteiligte weitere Sicherheit verlangen.

Besichtigen können die Interessenten die Immobilie häufig nicht, weil der noch darin wohnende Eigentümer oder auch Mieter keinen Zutritt gewährt. Selbst der Gutachter kommt ab und zu nicht in die Immobilie und kann den Wert in diesen Fällen nur durch Besichtigung von außen und unter Zugrundelegung der Grundakten beim Grundbuchamt bestimmen. Für den Interessenten ergibt sich daraus in Bezug auf den Zustand der Immobilie ggf. ein nicht zu unterschätzendes Wagnis, das er in seine Überlegungen über sein persönliches Bieterlimit einfließen lassen muss.

Den Zuschlag erhält derjenige Bieter mit dem höchsten Gebot. Er wird unmittelbar mit dem Zuschlag Eigentümer. Der Zuschlagsbeschluss stellt zugleich einen Räumungstitel gegen den ggf. noch in der Immobilie wohnenden Voreigentümer dar. Der Ersteher muss also den Voreigentümer nicht zunächst auf Räumung verklagen, er kann sofort die Zwangsräumung einleiten, sofern dieser nicht freiwillig auszieht.

Mit Zuschlag steht dem Ersteher auch ein Kündigungsrecht gegenüber dem ggf. in der Immobilie noch wohnenden Mieter zu. Die gesetzliche Kündigungsfrist ist einzuhalten, der Ersteher muss aber keinen Eigenbedarf oder andere zur wirksamen Kündigung ansonsten erforderliche Voraussetzungen nachweisen können.

Es ist auch zulässig, sich durch einen Bevollmächtigten im Versteigerungsverfahren vertreten zu lassen und somit sogar bis nach dem Zuschlag anonym zu bleiben.

 

Hinweis:

Insgesamt kann die Zwangsversteigerung eine für den Immobilienerwerber interessante und lohnende Plattform darstellen. Allerdings erfordern die gesetzlichen Regelungen, die im Einzelnen nicht leicht zu verstehen sind, hohen rechtlichen Sachverstand. Unterstützung bei der Festlegung der Bietertaktik, der Bestimmung des persönlichen Höchstgebotes und der kompletten Abwicklung einschließlich Assistenz im Versteigerungstermin durch einen Rechtsanwalt oder einen spezialisierten Immobilienmakler ist daher aus Sicht des Autors dringend zu empfehlen.

 

von Rechtsanwalt Oliver Grohmann-Velchev, Geschäftsführer der ProEigentum Immobilien GmbH